Liebe Anschützler, im Herbst letzten Jahres hatte ich Ihnen schon einmal vom „ersten Auslandseinsatz“ meiner 1780 in Pakistan berichtet. Inzwischen war der Püster zwar auch in Schweden und der Türkei, aber ich hatte auch versprochen: ich komme wieder. Und wie…
Nach dem die Reise im Oktober eigentlich eher der Einzeljagd gewidmet werden sollte, waren wir im gerade vergangenen Februar von Anfang an und vollends auf Drückjagden eingestellt. Die Bedingungen waren fast optimal, da nun das Klima und die Vegetation besser zu den Sautreiben im Berg passten. Zwar hätten wir gerne noch den ein oder anderen Schützen als Verstärkung gehabt, doch bei diesem Reiseziel bekommen die meisten leider Landeverbot an der eigenen Heimatfront – zu Unrecht, übrigens, ich hatte bei keinem meiner sechs, Jagdfreund Franz-Dieter bei keinem seiner inzwischen fast 20 Besuche irgendein Sicherheitsproblem, wir waren wärmstens willkommen. So mussten wir unsere Linien eben nur zu sechst verteidigen, wozu wir uns allergrößte Mühe gaben.
Alle Beteiligten waren erfahrene „Pakistani“, welche die sofort ab Ankunft auf uns einprasselnden Eindrücke in aller Ruhe genossen. Pakistan wird niemals einfach „nur eine Drückjagd sein“, für niemanden! Relativ fix kamen wir also ins Basislager bei Haripur in der Provinz Khyber Pakhtunkwa. Wir würden wieder Bergregionen rund um den Tarbela-Stausee bejagen. Leider dieses Mal ohne Boote, da der Stausee in den wenigen Monaten enorm an Wasser verloren hatte. Aber was soll´s: wir waren gerüstet.
Wir hatten acht Jagdtage arrangiert. Einer der Tage musste wegen Starkregens abgebrochen werden, ein weiterer auf Notstrom laufen, da die vorbereitet Graslandschaft von den „locals“ als Notwehrmaßnahme gegen marodieren- de Schwarzwildhorden schlicht und einfach abgebrannt werden -real also hatten wir sieben Jagdtage. Pakistan ist nun mal nicht perfekt organisiertes Europa, da kann schon mal was dazwischen kommen. Zumal der Rest für jeden Ausfall entschädigte!
Schon der erste Tag hatte ein Highlight für mich parat. In den ersten beiden Treiben hatte ich Randstände und zwar etwa 60 Standbegleiter aller coleur aus dem nahe liegenden Dorf, aber kaum Anblick. Im dritten Treiben fand ich mich im Gegenhang des Treibens wieder, abge- trennt durch eine steile Bergschlucht. Ich hatte ein gutes Gefühl und maß routinemäßig einige markante Punkte ab – gut, dass ich werksseitig neben einem Zeiss Compact Sight auch ein 12-faches Glas montiert hatte, sie konnten kommen! Unter mir hatte sich eine Traube von Dörfler gebildet, die gespannt DIE Sensation ihres sonst eher eintönigen Lebens verfolgten. Hoch oben, zwei Kämme weiter, hockten noch einmal 50 Späher, typisch für dieses Land. Aus der Ferne hörte ich bereits die Treiberchöre und deren Trommeln, die langsam näher kamen.
Plötzlich scholl ein wildes Geschrei an, Schüsse des Treiberführers erschollen, die Trommel überschlug sich – man hatte Kontakt, ich prüfte vor Aufregung zum hundertsten Mal den Ladezustand und das Magazin. Jetzt kam Auf- ruhr in den Hang der Späher, laut schreiend rannten sie den Grat entlang und schmissen Steine in die Tiefe. Die Sauen mussten näher kommen. Während ich mich auf dieses Spektakel zu meiner Linken konzentrierte, versuchte sich von rechts gerade ein Überläufer aus dem Treiben zu stehlen. Die Schüsse donnerten durch die Schlucht und unter dem Jubelgesängen „meiner“ Dörfler“ warf es das mittlere Schwein aus der Wand hinab ins Tal. Der Anfang war gemacht!
Jetzt fielen überall Schüsse, eine vollkommen irre Geräuschkulisse entwickelte sich. Kaum hatte ich nachgeladen, da kamen auch schon die von links angekündigten Sauen über den Kamm. Drei Stück schlängelten sich durch Ge- stein und Gestrüpp nach unten. Vor lauter Aufregung fehlte ich die dritte, die beiden anderen aber schlugen eben- falls zu Füßen der jetzt völlig ausrastenden Dörfler auf. Ich hatte keine Zeit, weiter nach zu denken: weit im zweiten Gegenhang zog ein Überläufer von mir weg, kaum beeindruckt von der über ihm tobenden Meute der Späher. Ich zog zwar mit, aber das war weit, sehr weit. Ich krallte mich in den Fels und stützte mich auf den Pirschstock, fasste den Lochschaft fester – überraschend ruhig saugte sich das Absehen ein paar Zentimeter über der Rückenlinie fest, als das Stück verhoffte. Im Schuss war es verschwunden, um dann eine Sekunde später im freien Fall 60 m über die Felskante zu kippen. Ein unfassbares Bild, auch diese Sau walkte zu Tal, dieses Mal begleitet von den Jubelchören der „Dörfler“ und der „Späher“, denn diesen Hang konnten beide Gruppen einsehen.
Ich zitterte wie Espenlaub, denn das Erlebte und die Geräuschkulisse in diesem engen Tal war unfassbar. Prompt fehlte ich zwei weitere Überläufer, die meine Nachbarn aber zuverlässig erlegten, dann war das Treiben vorbei. Bis ich ins Tal herunter gekrabbelt war hatten sich sicher Hundert Dörfler eingefunden, die von Trommeln begleitet wild jubelnd um die Sauen tanzend und uns immer wieder „Champion!“ entgegen schrieen und uns auf die Schultern klopften. Unvergesslich und nicht gerade mit einer „Alltagsjagd“ im heimischen Europa vergleichbar…
Die Tage vergingen erlebnisreich und wie im Fluge, der beste brachte uns neben drei starken Keilern noch 21 weitere Sauen. So kamen wir wieder an den Tarbela, wieder hatte ich einen Stand im Gegenhang am Rande des Treibens. Weit konnte ich ins Treiben sehen, mein Standbegleiter und ich wussten: Hier scheppert´s. Garantiert. Schon zog die erste Rotte durch den dicht bewach- seinen Hang, knappe 180 m hatten wir dorthin gemessen. Eine sackte im Verhoffen zusammen, eine weitere fehlte ich. Die Rotte zog genau auf die Schützenlinie zu, auf meine Kollegen war Verlass. Dumpf tönten deren Schüsse herüber, hell kreischend die Begeisterung der Treiber. Ob vielleicht… ja, schon turnten zwei Überläufer über den Grat wieder zurück. Einer verhoffte verdeckt, den anderen schmiss es frei in die Tiefe. Ein paar Sekunden später ein weiteres Stück an exakt der gleichen Stelle, es nahm genau den gleichen Weg.
Mein Begleiter und ich strahlten über das ganze Gesicht, ich musste zig Bilder von ihm machen. Das würde er noch seinen Enkeln erzählen, schwor er mir. Am letzten Tag kam es für mich sogar noch zu einer Steigerung: wieder war ich absoluter Außenposten und thronte hoch oben auf dem Grat. Weit unter mir beobachteten mich unsere ganze Begleitercrew, verstärkt durch die Honoratioren des Dorfes und unsere Ehreneskorte der Polizei, die es sich mit ihren AK-47-Gewehren gemütlich gemacht hatten, um das mit Spannung erwartete Schauspiel zu verfolgen.
Der Stand war perfekt gewählt, hinter einem dicken Gesteinsbrocken sitzend konnte ich einen weiten Geländeeinschnitt von oben einsehen. Mein inzwischen routinierter Begleiter Adeel war gerade erst mit dem Einmessen des Geländes fertig, da trollte der erste Überläufer über den Kamm und versuchte einen galanten Rückzieher. Im letzten Moment packte ihn die .30-06 noch, dann ver- schwand er im Santana-Dschungel.
Kaum Zeit zum Verschnaufen, eine mehrköpfige Rotte folgte von rechts. Jetzt hieß es zwar Ruhe bewahren -von wegen: Die Schüsse 1 & 2 waren deutliche Treffer auf Frischlinge, die beide noch einen Fangschuss erhielten; Nr. 5 fehlte einen Überläufer, der sich mit Nr. 6 überschlug. Adeel und ich waren eingespielt, der schnelle Magazinwechsel brachte den dritten Frischling. Wow…wie soll man da Ruhe bewahren? Und es war noch nicht vorbei, denn ich fehlte einen weiteren Überläufer, seinen Kumpel konnte ich kurz darauf stoppen. Nach zahlreichen Schüssen der Kollegen im Tal war auch dieses Treiben vorbei und völlig aufgelöst kraxelte ich hinunter zum Rest der Truppe, in der großes Hallo herrschte. Kaum war ich dort, da wurde ich wieder verscheucht: ein starker Keiler beschäftige die Hunde noch, ich solle sofort wieder auf meinen Stand! Wie von einer Tarantel gestochen hechtete ich wieder bergwärts, zerkratzte mir Arme und Beine und krabbelte mit letzter Kraft, dieses Mal pumpend wie ein Maikäfer, auf meinen Thron. Völlig verschwitzt bekam ich gerade noch mein T-Shirt ausgezogen, da schrie Adeel auf: Hinter uns sprang der schwarz wirkende, massige Keiler talwärts! Ich hatte kaum Platz und riss die Waffe herum. Der erste saß auf der vorletzten Rippe, das wusste ich, aber wie war der Urian zu stoppen? Ich hatte kaum Lücken und versuchte es mehrfach, konnte aber keinen Treffer mehr landen. Als meine Munition alle war schrie ich „Achtung, Keiler!“ nach unten, wo bereits Hektik Einzug gehalten hatte, alles spritzte auseinander. Ich sah das kranke Stück langsamer werden, die Hunde holten auf und kniffen ihn bereits das ein oder andere Mal. Säbelzahn nahm eine etwas dichtere Stelle am Fuße des Berges an, die Hunde stellten und stellten. Zwei, drei Mal nahm die Sau an, die Hunde jaulten und die besorgten Treiber schrieen wie am Spieß -dann hatte sich einer der Mitjäger nahe genug herangekämpft und es fielen erlösende Fangschüsse. Ich war fix und fertig. Sieben Sauen an einem Stand, davon ein wirklich respektab- ler Keiler nach einem Bergaufsprint, der jedem Massai zur Ehre gereicht hätte! Was für ein Abschluß!
Aber leider war die Reise damit auch schon vorüber. 82 Sauen, 7 Schakale und 3 Füchse hatte die Truppe erlegt, davon 9 starke Keiler. Ich schaue gerne über den Tellerrand, reise gerne und habe sicher schon das ein oder andere erlabt, aber für mich persönlich wird sich wohl nie wieder eine ähnlich erfolgreiche Jagd ergeben, befürchte ich: 28 Sauen, darunter drei starke Keiler -das wird schwer zu toppen sein…
Meine arme 1780 musste am Berg schwer leiden und hat so man- che Schramme davon getragen. Aber sie hat sich sehr, sehr tapfer geschlagen, ja sogar mir mittelmäßigen Schützen zu ein paar be- merkenswerten Schüssen verholfen -auch sie wird dasselbe sagen wie das letzte Mal: wir kommen wieder…